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Steinmeier – Keine Rückkehr zur Normalität mit Russland unter Putin

Von:
Reuters
Aktualisiert: Apr 5, 2022, 10:34 GMT+00:00

Berlin (Reuters) - Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat scharfe Kritik an Russlands Präsident Wladimir Putin geübt und eigene Fehleinschätzungen in den vergangenen Jahren eingeräumt.

ARCHIV: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier während einer Pressekonferenz auf dem Militärstützpunkt Rukla in Litauen, 3. März 2022. REUTERS/Ints Kalnins

– von Oleksandr Khozhukar

Berlin/Lwiw (Reuters) – Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier schließt normale Beziehungen des Westens zu Russland aus, solange Präsident Wladimir Putin an der Macht ist.

Steinmeier nannte Putin am Dienstag im ZDF einen “eingebunkerten Kriegstreiber”, der einen “totalen politischen, wirtschaftlichen, moralischen Ruin des Landes” hinnehme für “seine imperialen Träume oder für seinen imperialen Wahn”. Dabei räumte Steinmeier Fehler im Umgang mit Russland ein. Die ukrainischen und russischen Regierungen verhandelten unterdessen einem Medienbericht zufolge weiter. Im Laufe des Tages sollte sich der UN-Sicherheitsrat mit anhaltenden Vorwürfen von Kriegsverbrechen russischer Soldaten beschäftigen. Dabei sollte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj zugeschaltet werden.

Steinmeier räumte ein, dass man nach 2014 mehr auf Warnungen osteuropäischer Partner hätte hören sollen. Dazu gehöre, dass der Bau der Nord-Stream-2-Gaspipeline durch die Ostsee hätte gestoppt werden sollen. Die Umsetzung sei nach der Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim durch Russland geschehen. “Deshalb war das Festhalten sicher ein Fehler.” Das Projekt habe Deutschland viel Kritik und Glaubwürdigkeit bei osteuropäischen Partnern gekostet. Steinmeier wies jedoch den Vorwurf zurück, es sei seit Jahrzehnten klar, wie sich Putin entwickeln werde. Der russische Präsident des Jahres 2022 sei nicht derselbe wie der von 2001: “Auf der Strecke ist etwas passiert.”

SATELLITENBILDER SOLLEN LEICHEN ZEIGEN

Der ukrainische Botschafter in Berlin, Andrij Melnyk, nannte Steinmeiers Eingeständnis einen ersten Schritt. Nun müsse der Bundespräsident die Regierung zu schärferen Sanktionen bewegen, sagte Melnyk im Deutschlandfunk und verwies in dem Zusammenhang auf die Berichte über Massaker russischer Soldaten. Dazu gehörten schärfere Sanktionen wie ein Energie-Embargo und der Ausschluss aller Banken vom internationalen Zahlungssystem Swift. Die Ukraine und westliche Länder werfen russischen Soldaten vor, unter anderem im Kiewer Vorort Butscha Gräueltaten an Zivilisten verübt zu haben. Russland weist dies zurück. Der ehemalige russische Präsident Dmitri Medwedew erklärte zu den vorgelegten Belegen für die mutmaßlichen Verbrechen: “Sie wurden für viel Geld fabriziert.”

Der kommerzielle Satellitenbetreiber Maxar Technologies legte Bilder vor, auf denen bereits während der russischen Besatzung Leichen zu sehen sein sollen. In einer E-Mail an die Nachrichtenagentur Reuters erklärte der Konzern, diese zeigten, dass die Toten wochenlang auf den Straßen gelegen hätten. Reuters-Reporter in Butscha sahen mehrere Leichen, die offenbar aus nächster Nähe erschossen worden waren. Wer für die Tötungen verantwortlich war, ließ sich nicht feststellen.

Einem russischen Medienbericht zufolge wurden die Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine intensiv per Videoschalte fortgesetzt. Die Nachrichtenagentur Interfax berief sich auf das russische Außenministerium. Selenskyj zufolge wird es möglicherweise keine direkten Gespräche zwischen ihm und Putin geben. Zu Verhandlungen gebe es jedoch keine Alternative. Im Laufe der Woche wollen EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen und der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell einem EU-Sprecher zufolge Selenskyj in Kiew treffen.

In einer Fernsehansprache am Morgen erklärte Selenskyj zudem, sein Land benötige Sicherheitsgarantien, da Russland in zwei Jahren zurückkehren könne. Im kommenden Jahrzehnt werde die Ukraine zu einer Art “großes Israel” werden, bei dem die Verteidigung oberste Priorität habe, kündigte er an.

Der Kriegsverlauf konzentrierte sich unterdessen weiter auf den Osten und Süden. Die Regierung in Kiew erwartet nach eigenen Darstellung, dass im Osten etwa 60.000 russische Reservisten eingesetzt werden. Die Situation in der belagerten südukrainischen Hafenstadt Mariupol war nach Darstellung Selenskyjs “sehr schwierig”. Mehrere Versuche des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz, Zivilisten aus der Stadt zu bringen, blieben in den vergangenen Tagen erfolglos.

Nach Angaben des britischen Verteidigungsministeriums haben die ukrainischen Streitkräfte wichtige Gebiete im Norden des Landes zurückerobert. Russland sei zum Rückzug aus Gegenden nördlich von Kiew gezwungen worden, hieß es unter Berufung auf den Militärgeheimdienst. Der Bürgermeister von Kiew, Vitali Klitschko, sprach von fast 20.000 russischen Soldaten, die seit der Invasion am 24. Februar in der Ukraine ums Leben gekommen seien. Belege lieferte er nicht. Zum Vergleich: Die USA verloren in zwei Jahrzehnten Afghanistan-Krieg nach Daten der Brown University etwa 2500 Soldaten.

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