Werbung
Werbung

Historischer Zahlungsausfall in Russland – Sanktionen aus US-Sicht erfolgreich

Von:
Reuters
Aktualisiert: Jun 27, 2022, 13:07 UTC

(Reuters) - Die russische Regierung bestreitet, erstmals seit mehr als einem Jahrhundert mit dem Begleichen ihrer Auslandsschulden in Verzug geraten zu sein.

ARCHIV: Ein Modell einer Erdgaspipeline ist auf russischen Rubel-Banknoten abgebildet, 23. März 2022. REUTERS/Dado Ruvic

London (Reuters) – Russland gerät erstmals seit der bolschewistischen Revolution 1917 mit der Zahlung für seine ausländischen Staatsanleihen in Verzug.

Nach Ablauf einer Schonfrist am Sonntagabend beklagten mehrere taiwanische Investoren, bislang keine der vereinbarten Zinszahlungen für ihre russischen Staatsanleihen erhalten zu haben, wie zwei mit der Angelegenheit vertraute Personen am Montag der Nachrichtenagentur Reuters sagten. Früheren Angaben von Juristen zufolge ist jedoch unklar, ob die Frist für die Regierung in Moskau schon am Sonntag endete oder doch erst mit Ende des drauffolgenden ersten Arbeitstages. Bis zum späten Montagabend (Ortszeit) waren in Taiwan keine russischen Zahlungen eingegangen.

Für die US-Regierung steht fest, dass es sich um einen Zahlungsausfall handelt. “Die Nachrichten von heute Morgen über die Feststellung der Zahlungsunfähigkeit Russlands – der ersten seit mehr als einem Jahrhundert – zeigen, wie stark die Maßnahmen sind, die die USA zusammen mit ihren Verbündeten und Partnern ergriffen haben”, sagte ein US-Regierungsvertreter am Rande des G7-Gipfels in Deutschland. Die Folgen für die russische Wirtschaft seien “dramatisch”.

Der russische Rubel wertete zunächst um zwei Prozent zum Dollar ab, lag zuletzt aber wieder im Plus. “Der Schaden ist bereits angerichtet, da Russland von den globalen Finanzmärkten abgeschnitten wird”, sagte Chefanalyst Jakob Christensen von der Danske Bank. “Es ist alles eingepreist.”

“NICHT UNSER PROBLEM”

Die Zahlungsprobleme waren absehbar. Nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine hatte die US-Regierung ihren Banken entsprechend den am 24. Februar erhobenen Sanktionen verboten, Überweisungen des russischen Staates auszuführen. “Der Zahlungsausfall liegt also nicht daran, dass Russland nicht zahlen will, sondern aufgrund der Sanktionen dazu nicht in der Lage ist”, sagte Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer zu Reuters. “Russland ist von dem Zahlungsausfall nicht sonderlich betroffen, weil es traditionell und auch zur Zeit Leistungsbilanzüberschüsse aufweist und insofern nicht auf ausländisches Kapital angewiesen ist”, fügte er mit Blick auf die hohen Einnahmen aus dem Öl- und Gasgeschäft hinzu. Die Preise hatten Rekordhöhen erreicht, wovon Moskau profitiert.

Die russische Regierung bestreitet, mit dem Begleichen seiner Auslandsschulden in Verzug geraten zu sein. In einem Telefonat mit Reportern sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow, Russland habe die im Mai fälligen Anleihezahlungen geleistet. Die Tatsache, dass sie vom Clearinghaus Euroclear wegen der westlichen Sanktionen gegen Russland blockiert worden seien, sei “nicht unser Problem”.

“VON EINER STAATSPLEITE WEIT ENTFERNT”

Am Sonntag lief eine Frist zur Zahlung von 100 Millionen Dollar an Zinsen für zwei Fremdwährungsanleihen aus – 29 Millionen für eine auf Euro und bis 2036 laufende Staatsanleihe und 71 Millionen Dollar für ein bis 2026 laufendes Papier in Dollar. Eigentlich sollte Russland die Zahlungen bereits am 27. Mai leisten, was jedoch nicht geschah. Daraufhin setzte eine Schonfrist von 30 Tagen ein, die nun endete. Da im Anleiheprospekt keine genaue Frist angegeben ist, halten es die Anwälte für möglich, dass Russland noch bis Montagabend Zeit habe, um seine Gläubiger zu bedienen.

Allerdings gibt es aktuell kaum Anzeichen dafür gab, dass die Investoren ihr Geld bekommen. Zwar sitzt Moskau auf milliardenschweren Devisenreserven, weshalb die Zahlungen für ausstehende Anleihen in Höhe von insgesamt 40 Milliarden Dollar eigentlich problemlos geleistet werden könnten. Doch die Sanktionen verhindern dies. Der Westen wird deshalb vom Kreml beschuldigt, das Land in eine künstliche Zahlungsunfähigkeit treiben zu wollen.

Was kurzfristige neue Kreditaufnahmen Russlands angeht, wäre ein formeller Zahlungsausfall zwar weitgehend symbolisch, da Moskau derzeit ohnehin keine internationalen Kredite aufnehmen kann und dies dank der reichen Öl- und Gaseinnahmen auch nicht muss. Aber das Stigma würde seine Kreditkosten in Zukunft wahrscheinlich erhöhen – und das auch noch in vielen Jahren. “Von einer Staatspleite dürfte Russland allerdings noch weit entfernt sein”, sagte Kapitalmarktstratege Jürgen Molnar von RoboMarkets. “Bis Wladimir Putin die weiße Flagge in Sachen Finanzierung hissen muss, dürfte aufgrund der weiter sprudelnden Einnahmen aus dem Energiegeschäft noch einige Zeit vergehen.”Nach Angaben des Finanzministeriums in Moskau hat Russland die Zahlungen für die genannten Anleihen in Euro und Dollar an seinen zentralen Wertpapierverwahrer NSD geleistet. Es gilt jedoch als unwahrscheinlich, dass die Gelder ihren Weg zu den vielen internationalen Inhabern finden werden. Für viele Anleihegläubiger stellt die nicht rechtzeitige Überweisung des geschuldeten Geldes auf ihre Konten einen Zahlungsausfall dar.

(Bericht von Karin Strohecker, Emily Chan, Sujata RaoAndrea Shalal, Andreas Rinke, Rene Wagner, redigiert von Hans Busemann. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

Über den Autor

Reuterscontributor

Reuters, die Nachrichten- und Medienabteilung von Thomson Reuters, ist der weltweit größte internationale Multimedia-Nachrichtenanbieter, welche täglich mehr als eine Milliarde Menschen erreicht. Reuters bietet zuverlässige Geschäfts-, Finanz-, nationale und internationale Nachrichten über Thomson Reuters-Desktops, der weltweiten Medienorganisationen, sowie direkt an Verbraucher auf Reuters.com und über Reuters TV.

Fanden Sie diesen Artikel hilfreich?

Werbung