Berlin (Reuters) - Die deutschen Unternehmen haben ihre Produktion am Ende des von Energiekrise, Materialengpässen und hohen Preisen geprägten Jahres 2022 überraschend stark gedrosselt.
Berlin (Reuters) – Die deutschen Unternehmen haben ihre Produktion am Ende des von Energiekrise, Materialengpässen und hohen Preisen geprägten Jahres 2022 so stark gedrosselt wie seit neun Monaten nicht mehr.
Industrie, Bau und Energieversorger stellten im Dezember zusammen 3,1 Prozent weniger her als im Vormonat, wie das Statistische Bundesamt am Dienstag mitteilte. Das ist der größte Rückgang seit März 2022, dem ersten vollen Monat nach Beginn des russischen Krieges gegen die Ukraine. Ökonomen hatten lediglich mit einem Minus von 0,7 Prozent gerechnet, nachdem es im November noch ein Wachstum von 0,4 Prozent gegeben hatte. 2022 insgesamt lag die Produktion kalenderbereinigt um 0,6 Prozent niedriger als 2021 und um 5,0 Prozent niedriger als im Vor-Corona-Krisenjahr 2019.
“Die Produktion hat zum Jahresschluss richtig schlapp gemacht”, sagte der Chefvolkswirt der Privatbank Hauck Aufhäuser Lampe, Alexander Krüger. “Es sind Ausläufer der vielbeschworenen Rezession”, fügte der Chefvolkswirt der VP Bank, Thomas Gitzel, hinzu. Nach den Worten von ING-Chefvolkswirt Carsten Brzeski ist Europas größte Volkswirtschaft “einfach in den Winterschlaf gefallen”. Das sieht das Bundeswirtschaftsministerium ganz ähnlich, rechnet aber allenfalls mit einer milden Rezession. Hoffnung machten vor allem optimistischere Geschäftsaussichten sowie abnehmende Materialengpässe. “Zusammen mit den immer noch gut gefüllten Auftragsbüchern deutet dies darauf hin, dass die wirtschaftliche Abschwächung im Winter milde ausfallen dürfte”, so das Ministerium.
Die Industrie allein stellte im Dezember 2,1 Prozent weniger her als im Vormonat. Die Produzenten von Investitionsgütern wie Autos und Maschinen hielten ihren Ausstoß stabil. Bei Konsumgütern wuchs er dagegen um 0,3 Prozent, bei Vorleistungsgütern brach er um 5,8 Prozent ein. Die exportabhängige Industrie hat zuletzt ein überraschend starkes Neugeschäft gemeldet: Die Aufträge legten im Dezember dank der verbesserten Nachfrage aus dem Inland und der Euro-Zone so stark zu wie seit September 2021 nicht mehr: Die Bestellungen stiegen um 3,2 Prozent zum Vormonat, vor allem wegen vieler Großaufträge.
Das Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW) hält ein Produktionsplus in diesem Jahr für möglich. “Maßgeblich ist, dass die Lieferengpässe zu einem erheblichen Anstieg der Auftragsbestände geführt haben”, sagte IfW-Konjunkturexperte Nils Jannsen. “Von diesen hohen Auftragspolstern kann die Industrie bei nachlassenden Lieferengpässen nun zunehmend zehren.” Insgesamt dürften die seit dem Beginn der Pandemie aufgetürmten zusätzlichen Auftragsbestände mehr als zehn Prozent einer Jahresproduktion ausmachen.
Die Baubranche meldete im Dezember einen Rückgang von 8,0 Prozent. Ihr setzen steigende Material- und Zinskosten zu. “Besonders für die Bauproduktion stehen die Zeichen wegen der steigenden Zinsen schlecht”, sagte Ökonom Krüger. Die Energieversorger fuhren ihre Erzeugung um 3,0 Prozent herunter.
(Bericht von Rene Wagner. Redigiert von Sabine Ehrhardt. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)
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