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EuGH bejaht Schadenersatz bei bestimmten Dieselklagen

Von:
Reuters
Aktualisiert: Mar 21, 2023, 12:50 UTC

Frankfurt (Reuters) - Mercedes-Benz muss einem Diesel-Besitzer unter Umständen Schadenersatz wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung bei der Abgasreinigung leisten.

ARCHIV: Das Mercedes-Benz Logo in Frankfurt, Deutschland

– von Ilona Wissenbach und Jan Schwartz

Frankfurt/Hamburg (Reuters) – Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat ein Abgas-Urteil mit möglicherweise weitreichenden Auswirkungen für die Automobilindustrie gefällt.

Die Luxemburger Richter entschieden, dass der Käufer eines Dieselautos Anspruch auf Schadenersatz hat, wenn ihm durch eine illegale Abschalteinrichtung ein Schaden entstanden ist. Über die Höhe eines möglichen Ausgleichs müssten die nationalen Gerichte entscheiden (AZ C-100/21).

Ausgangspunkt des Urteils war eine Klage gegen Mercedes-Benz vor dem Landgericht Ravensburg, das die Luxemburger Richter um Klärung einiger Fragen gebeten hatte. Es wird nun damit gerechnet, dass sich der Bundesgerichtshof (BGH), bei dem viele solcher Fälle liegen, in den nächsten Wochen damit befassen wird. Rechtsexperten gehen davon aus, dass das oberste deutsche Gericht seine bisherige Rechtsauffassung ändern wird.

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) feierte das EuGH-Urteil als großen Erfolg für den Verbraucherschutz. “Entscheidend wird nun sein, dass die Unzulässigkeit der Abschalteinrichtungen abschließend gerichtlich festgestellt wird”, erklärte DUH-Anwalt Remo Klinger. Die Umweltorganisation hatte sich zuletzt mit einer Klage gegen die Freigabe eines Software-Updates für Dieselmotoren von VW vor dem Verwaltungsgericht Schleswig gegen das Kraftfahrt-Bundesamt durchgesetzt. Weitere Klagen gegen über 100 Typgenehmigungen des KBA sind anhängig. “Alles spricht dafür, dass diese abschließend so ausgehen, wie das Verwaltungsgericht Schleswig zuletzt in dem Musterfall entschieden hat”, sagte Klinger. Die Zivilgerichte müssten diese verwaltungsgerichtlichen Weichenstellungen dann übernehmen.

Neue klagewelle

Acht Jahre nach Bekanntwerden des VW-Dieselskandals könnte nach Meinung der DUH und Rechtsanwälten mit dem EuGH-Urteil eine neue Welle an Klagen auf die Autobauer zurollen. Nach Einschätzung der Berliner Kanzlei Goldenstein, die nach eigenen Angaben mehr als 50.000 Mandanten im Zusammenhang mit dem Diesel-Abgasskandal vertritt, können Ersatzansprüche durch das EuGH-Urteil leichter durchgesetzt werden. “Künftig müsste im Prinzip nur noch belegt werden, dass das jeweilige Fahrzeug zum Kaufzeitpunkt eine illegale Manipulationssoftware enthielt und der Käufer davon nichts wusste”, erklärte die Kanzlei. Auch der BGH müsse Besitzern von Diesel-Fahrzeugen mit sogenannten Thermofenstern Schadensersatz zusprechen. “Von dem heutigen Urteil können europaweit mehrere Millionen Menschen profitieren,” erklärte Rechtsanwalt Claus Goldenstein.

Der Bundesgerichtshof hatte Schadenersatzansprüche bisher abgelehnt, da er für diese vorsätzlches Handeln zur Voraussetzung machte, bei dem Autobauer aber nur Fahrlässigkeit erkennen konnte. Der BGH hat eine neue Verhandlung für den 8. Mai angesetzt, um “Folgerungen für das deutsche Haftungsrecht” zu erörtern. Die Karlsruher Richter hatten noch anhängige Fälle auf Eis gelegt, nachdem das Landgericht Ravensburg den EuGH angerufen hatte.

Mercedes-Benz erklärte, es bleibe abzuwarten, wie die nationalen Gerichte die EuGH-Entscheidung anwendeten. “Der EuGH hat klar betont, dass es nur um den Schaden geht, der einem Käufer tatsächlich entstanden ist”, ergänzte das Unternehmen. Zudem müsse eine unzulässige Abschalteinrichtung vorliegen, was im vorliegenden Fall streitig sei.

THERMOFENSTER UND PRÜFSTAND-ERKENNUNG

Bei dem Rechtsstreit über so genannte Thermofenster geht es um eine andere Technik als beim VW-Dieselskandal, der mit dem Eingeständnis der Abgasmanipulation durch den Wolfsburger Autokonzern im September 2015 begann. Volkswagen sorgte mit einer Software dafür, dass neue Modelle Stickoxid-Grenszerte nur zur Typgenehmigung auf dem Prüfstand einhielten, auf der Straße aber nicht. Der Konzern büßte dafür mit mehr als 32 Milliarden Euro Geldstrafen und Entschädigungen. Bei Mercedes und anderen Autobauern, darunter ebenfalls VW, geht es um eine Abgasreinigung, die bei niedriger Außentemperatur nur eingeschränkt funktioniert. Nach EU-Gesetz und Auslegung des EuGH ist das Drosseln nur zulässig, um Schaden am Motor zu verhindern, nicht aber dessen Verschleiß.

(Mitarbeit von Ursula Knapp, redigiert von Olaf Brenner. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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