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Bitcoin ein Schneeballsystem?

Von
Ralph Barligea
Aktualisiert: Jan 31, 2022, 18:23 GMT+00:00

Immer wieder kommt der Vorwurf auf, Bitcoin und andere Kryptowährungen seien ein Schneeballsystem. Aktuell wirft das die Zentralbank Russlands Kryptowährungen wie Bitcoin vor. Die deutsche Verbraucherzentrale nennt 5 Kennzeichen für Schneeballsysteme. Wir bewerten für Sie, inwiefern diese für den Bitcoin zutreffen.

Bitcoin, ein Schneeballsystem?

Immer wieder kommt der Vorwurf auf, Bitcoin und andere Kryptowährungen seien ein Schneeballsystem. Aktuell wirft das die Zentralbank Russlands Kryptowährungen wie Bitcoin vor. So kommt es, dass Russland nun ein generelles Verbot von Besitz, Handel und Mining von Kryptowährungen erwägt. Ängste dazu sollen unter anderem dazu geführt haben. Von seinem Hoch Anfang November von fast 60.000 Euro pro Stück auf nur noch rund 30.000 Euro im Januar verlor der Bitcoin fast die Hälfte seine Wertes.

Länder wie China oder Indien, die zusammen rund zwei Drittel der Weltbevölkerung ausmachen, haben solche wie das von Russland erwogene Verbote mit ähnlichen Begründungen letztes Jahr schon umgesetzt. Damals verlor der Bitcoin von April bis Mitte letzten Jahres ebenfalls rund die Hälfte seine Wertes vom Hoch von fast 53.000 Euro pro Stück Anfang April auf nur noch 26.000 Euro im Juni.
Doch inwiefern ist der Vorwurf, Bitcoin sei ein Schneeballsysteme gerechtfertigt? Die deutsche Verbraucherzentrale nennt 5 Kennzeichen für Schneeballsysteme. Wir bewerten für Sie, inwiefern diese für den Bitcoin zutreffen.

„Misstrauen Sie vermeintlich genialen Geschäftsideen, die sich schnell erklären lassen.”

“Vom Sofa aus lässt sich Geld nicht einfach am Computer vermehren, indem Sie andere Menschen zum Mitmachen überreden.“

Der Bitcoin wird zwar von Vielen als geniale Idee angepriesen. Wirklich schnell erklären lassen sich die Vorteile des Bitcoins und seine Funktionsweise aber nicht. Ausschließlich fachkundige Technik-Nerds kannten sich bereits früh mit dem Bitcoin aus, sodass sie sich für eine Investition in ihn entscheiden konnten. Schnelles Geld wird beim Bitcoin nicht versprochen. Zwar schwanken die Kurse stark, sodass sich der Wert auch in wenigen Wochen halbieren (wie jetzt als Russland sein drohendes Verbot ansprach) oder verdoppeln kann (wie in Folge eines starken Kurs-Rückgangs nach Beginn der Corona-Krise im Jahr 2020).

Jedoch sprechen Experten teilweise von Jahrzehnten, die es brauchen könnte, bis sich der Bitcoin als unabhängiges internationales digitales Zahlungsmittel – als das er laut seinem Whitepaper erklärtermaßen dienen soll – weltweit verbreiten wird. Sie vergleichen es mit der Zeit, die es von der Entstehung des Internets (Word Wide Web) bis zu seiner weltweiten Verbreitung brauchte. Diese dauerte von seiner Erfindung im Jahr 1969 bis zum Platzen der Internet-Blase (Dotcom Bubble/New Economy Bubble) im Jahr 2000 bis zu seiner heutigen produktiven Nutzung durch knapp zwei Drittel der Weltbevölkerung mehr als ein halbes Jahrhundert. Erste technische Versionen des Internets wie das ursprünglich für Universitäten geschaffene „Arpanet“ wurden auf dem Weg bis zum heutigen Standard-Internet-Protokoll TCP/IP verworfen.

Experten weisen auch in Bezug auf Kryptowährungen darauf hin, dass zwar ihr grundlegende auf der Blockchain-Technologie basierende Prinzip der Verteilung, Verkettung und Verschlüsselung von Daten Vorteile für die Liquidität, Sicherheit und Unabhängigkeit von Geld hat. Sie sagen aber keinesfalls, dass unbedingt Bitcoin sich als die führende Kryptowährung erweisen wird. Es könnte sich auch eine andere Kryptowährung wie z. B. Ether als führend durchsetzen und Bitcoin wertlos werden. Auch das Totalverlustrisiko zu Bitcoin ist neben seinen starken Wertschwankungen allgemein bekannt und wird von keiner seriösen Person bestritten, auch von Verfechtern des Bitcoins selbst nicht. Auch führende Kryptowährungshandelsplattformen weisen standardmäßig auf dieses Risiko hin.

„Meist sollen Sie mit relativ geringen Beträgen einsteigen können.”

“Wenige Hundert Euro klingen nach einem überschaubaren Risiko.“

Man kann in der Tat schon mit sehr geringen Beträgen in den Bitcoin einsteigen. Schließlich ist ein Bitcoin – aktueller Marktwert pro Stück 34.000 Euro – durch 100 Millionen teilbar. Diese kleinste Einheit des Bitcoins nennt sich ein Satoshi. Umgerechnet wäre also ein Satoshi – teilt man 34.000 Euro durch 100 Millionen – 0,034 Eurocent wert. Man kann aber auch kleine Mengen Benzin mit Mindesabfüllmengen von einem Liter für derzeit circa 1,60 bis 1,70 Euro pro Liter tanken. Man kann kleine Mengen Gold, ab einem Gramm für derzeit rund 70 Euro kaufen. Man kann einzelne Aktien etwa von BMW oder Daimler für derzeit rund 90 bzw. 70 Euro pro Stück kaufen.

Das Kriterium, dass man schon mit geringen Beträgen einsteigen kann, kann also für sich allein genommen kein Kriterium für ein Schneeballsystem sein. Denn weder der Benzin-Verkauf zum Autofahren an der Tankstelle, noch der Gold-Verkauf zu Anlage-, Geschenk- oder Nostalgie-Zwecken noch der Aktien-Verkauf zu Anlagezwecken können als Schneeballsysteme bezeichnet werden, nur weil man hier bereits mit geringen Beträgen einsteigen kann.

„Schneeballsysteme sind immer darauf ausgelegt, dass die Zahl der Teilnehmer stark steigen soll.”

“Sie werden dazu gedrängt, viele neue Mitglieder anzuwerben, für die Sie dann jeweils “Kopfgeld” bekommen.“

Wenn die Anzahl der Nutzer steigt, wird auch der Bitcoin mehr wert. Das liegt an den Netzwerkeffekten. Geld ist ein Netzwerkgut. Je mehr Menschen es bereits verwenden und akzeptieren, desto wertvoller ist es für neue Nutzer. International haben sich darum beispielsweise Gold unter den Edelmetallen, US-Dollar unter den staatlichen Währungen und Bitcoin unter den Kryptowährungen als klar führende Geldarten durchgesetzt.

Netzwerkeffekten unterliegende Netzwerkgüter führen auch zu einem „The-Winner-Takes-it-all“-Wettbewerb bzw. zu natürlichen Monopolen. Wenn ein Gut umso wertvoller wird, je mehr Nutzer es hat, kann das Gut, das einmal die meisten Nutzer gewonnen hat, nur noch schwer von seinem Thron als Marktführer verdrängt werden.

Auch digitale Güter wie Messenger-Dienste unterliegen Netzwerkeffekte. Ein Messanger-Dienst ist umso attraktiver für neue Nutzer, je mehr Nutzer er bereits hat. Denn so steigt die Wahrscheinlichkeit, dass man auch seine Freunde und Bekannte, denen man schreiben will, über diesen Dienst erreichen kann. In der westlichen Welt ist beispielsweise WhatsApp der führende Messenger-Dienst, in China ist es WeChat.

Bei Netzwerkeffekten spricht man auch von Schneeballeffekt. So wie ein Schneeball immer größer wird, je mehr er ins Rollen kommt und je mehr Schnee sich bereits um ihn angehäuft hat, desto größer und stärker werden auch Währungen und digitale Güter, je mehr Nutzer sie haben. Bitcoin ist sowohl Geld als auch digitales Gut. Es ist also nur natürlich, dass der Bitcoin Netzwerk- bzw. Schneeballeffekten unterliegt und wertvoller wird, je mehr Nutzer und Investoren er hat.

Mit Schneeballsystem ist hingegen ein betrügerisches System gemeint, bei dem Renditen an Personen aus den Einzahlungen neuer Investoren ausgezahlt werden, ohne dass diese Investitionen tatsächlich angelegt werden. Einen solchen Mechanismus gibt es für den Bitcoin nicht. Einfach zu sagen, dass Bitcoin ein Schneebalystem sei, weil er wertvoller wird, je mehr Nutzer bzw. Investoren er hat, reich als Argument nicht aus. Auch eine Google-Aktie wird wertvoller, je mehr Menschen sie kaufen wollen. Auch WhatsApp wird wertvoller, je mehr Menschen es nutzen. Weder Google noch WhatsApp können deswegen jedoch als Schneeballsysteme bezeichnet werden.

Auch zu behaupten, bei Bitcoin werde in kein richtiges Produkt investiert und darum handele es sich um ein Schneeballsystem, greift zu kurz. Laut Whitepaper ist Bitcoin ein „Peer-to-Peer Electronic Cash System“: Also ein System von dem man ohne die Vermittlung von Banken direkt von Nutzer zu Nutzer bares Geld senden kann. Bitcoin hat den Anspruch, bares Geld digital von A nach B zu senden. Die Geldmenge ist auf knapp 21 Millionen Stück technisch begrenzt. Wesentliche Geldeigenschaften wie etwa Teilbarkeit, Homogenität, Haltbarkeit, Transferierbarkeit, Knappheit werden durch das Produkt offensichtlich erfüllt. Im Vergleich zu Gold, das auch knapp ist, ist Bitcoin leichter transferierter. Im Vergleich zu staatlichem Geld, dass vermittelt über Banken relativ leicht transferierter ist, ist Bitcoin nicht beliebig vermehrbar und damit knapper, also perspektivisch werthaltiger. Zudem kann Bitcoin international sogar leichter als staatliches Geld transferiert werden. Damit erfüllt Bitcoin nicht nur wesentliche Produktmerkmale von Geld, sondern scheint sogar eine Marktnische im Geldsektor zu treffen.

Ob und inwiefern Bitcoin sich als Geld besser eignet als andere Geldarten, müssen die Marktakteure letztendlich individuell selbst beurteilen. Bitcoin jedoch als Schneeballsystem ohne jedweden Nutzen zu bezeichnen, greift ins Lehre. Bitcoin erfüllt das Kriterium eines Schneeballystems nicht, da kein Geld von neu hinzukommenden Einzahlenden an bestehende Investoren ausgezahlt wird.

Bitcoin erfüllt wesentliche objektive Qualitätskriterien von Geld und wird von seinen Nutzern offensichtlich als Geld gehalten: Als Tauschmittel, um Waren und Dienstleistungen zu kaufen, zur Wertaufbewahrung und auch als Recheneinheit in der die Kurse anderer Krypto-Anlagen bewertet werden. Menschen, die auf den Wertanstieg von Bitcoin spekulieren, tun dies, weil sie glauben, dass es er als Geld mehr Verbreitung erfahren wird und darum wegen seiner Knappheit im Wert steigen wird.

„Typisch: Eine Provision geht immer an den Initiator.”

“Damit ist er am Ende der einzige echte Gewinner. Oft ist gar nicht zu erkennen, wofür das Geld verwendet wird – dann sollten Sie besonders vorsichtig sein.“

Es gibt keine Provision oder Auszahlung von Geldern die aus den Mitteln neu in den Bitcoin hinzukommender Investoren an frühere Investoren oder die Initiatoren von Bitcoin ausgezahlt werden. Menschen die früh in den Bitcoin investiert haben, profitieren lediglich stärker vom Wertanstieg des Bitcoins, der durch immer mehr Menschen, die neu in den Bitcoin einsteigen wollen, hervorgerufen wird.

Auch Menschen, die früh in Aktien von Apple investiert haben, profitieren vom Erfolg des Konzerns und dem Wertanstieg seiner Aktie stärker. Verkaufen früh eingestiegene Investoren größere Mengen Bitcoins bzw. wollen sie diese gegen anderes Geld, Güter oder Dienstleistungen in großen Mengen eintauschen, müssen sie mit einem Kurseinbruch rechnen ähnlich einem Mehrheitsinvestor einer Aktiengesellschaft, der alle seine Aktien gleichzeitig auf den Markt wirft. Ein einfaches Abhauen mit dem Geld ist nicht wie bei einem klassischen Schneeballystem möglich.

„Sie sollen oft verschiedene Ebenen oder Positionen erreichen können.“

Es gibt kein formell festgelegten Ebenen oder Positionen die man beim Benutzen von Bitcoin „erreichen“ kann und die irgendwelche Anreize setzen sollen, neue Nutzer zu werben, wie bei etwa bei einem klassischen Struktur-Vertriebssystem, das Teil eines Schnellballsystems ist. Umgangssprachlich haben sich für Besitzer großer Bitcoin-Vermögen und Menschen, die Bitcoins lange halten ohne sie auszugeben jedoch die Begriffe „Wal“ und „Hodler“ durchgesetzt. Besondere Belohnungen, Prämien oder Provisionen wie etwa im Strukturvertrieb von Schneeballsystemen sind jedoch damit nicht verbunden.

Fazit:

Bitcoin erfüllt entsprechend dieser Analyse anhand der 5 Bewertungskriterium der Verbraucherzentrale keinerlei Kriterien eines Schneeballsystems. Bei Unkenntnis der Funktionsweise von Bitcoin oder von Geld und digitalen Gütern, kann Bitcoin jedoch leicht mit einem Schneeballystemem verwechselt werden.

Über den Autor

Ralph hat seinen Abschluss an der Universität Passau in Betriebswirtschaft und Wirtschaftswissenschaften mit Masterarbeit in Wirtschaftsinformatik gemacht. Während seines Studiums entwickelte sich seine Leidenschaft für Geldtheorie und Kryptowährungen.

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