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EU-Staaten beschließen Klimapaket – Keine Neuzulassungen für Verbrenner ab 2035

Von:
Reuters
Aktualisiert: Jun 29, 2022, 13:37 UTC

Berlin (Reuters) - Die EU-Staaten wollen ab 2035 nur noch Neuwagen ohne CO2-Emissionen zulassen.

ARCHIV: Abgase aus einem Auspuffrohr eines Autos auf einer Straße in Berlin, Deutschland, 22. Februar 2018 . REUTERS/Fabrizio Bensch

– von Kate Abnett und Markus Wacket

Luxemburg/Berlin (Reuters) – Ab 2035 sollen in der EU keine Benziner oder Diesel-Autos mehr zugelassen werden.

Die Umweltminister der EU-Staaten einigten sich in der Nacht zum Mittwoch auf ein umfassendes Klimaschutz-Paket, das unter anderem dann nur noch Neuwagen ohne CO2-Ausstoß zulässt. Die EU-Kommission soll aber einen Vorschlag erarbeiten, der dem Verbrennungsmotor mit klimaneutralen, synthetischen Kraftstoffen eine Chance geben könnte. Die Minister fassten auf Basis des “Fit-for-55”-Pakets der EU-Kommission weitere Beschlüsse, mit der die EU ihre Klima-Emissionen bis 2030 um 55 Prozent senken will: So soll es ab 2027 eine Abgabe auf CO2 – ähnlich wie in Deutschland – auch für Sprit und Heizöl geben. Ärmere EU-Bürger sollen dann durch einen Klimasozialfonds von 59 Milliarden Euro bis 2032 entlastet werden. Zudem werden Gratis-Zuteilungen von CO2-Verschmutzungsrechten an die Industrie gekürzt und der CO2-Preis ausgeweitet.

Die Beschlüsse müssen noch von EU-Kommission und EU-Parlament gebilligt werden. Es gilt jedoch als wahrscheinlich, dass es kaum wesentlichen Änderungen geben wird, da die Beschlüsse auf Vorschlägen der Kommission fußen und Beratungen im EU-Parlament teils berücksichtigt wurden. Die endgültige Einigung wird bis Ende des Jahres erwartet.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) lobte das Gesamtpaket als Signal der Entschlossenheit: “Inmitten der größten Energiekrise Europas haben wir eines der umfassendsten Klimaschutzpakete in der EU-Geschichte auf den Weg gebracht.” Mit dem “Fit-for-55”-Paket seien die Weichen für den Umbau der Wirtschaft hin zur Klimaneutralität gestellt.

Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne), die lange für ein komplettes Verbrenner-Aus bis 2035 geworben hatte, zeigte sich ebenfalls zufrieden und sprach von einem großen Fortschritt: “Wir setzen damit das klare Signal, dass wir die Klimaziele erreichen müssen. Sie geben der Autoindustrie die Planungssicherheit, die sie braucht.”

Die Zukunft des Verbrennungsmotors war besonders in Deutschland mit seiner großen Autoindustrie heftig umstritten. Die EU-Kommission soll nun einen Vorschlag machen, wie E-Fuels eingesetzt werden können. Ob dies dann auch für Pkw oder nur für Spezialfahrzeuge gelten wird, ist offen. Die Kommission und das EU-Parlament waren bisher dagegen. Inwieweit dies überhaupt eine Auswirkung hätte, ist zudem unklar. Fast alle Hersteller setzen auf Elektro-Mobilität, synthetische Kraftstoffe sind auf absehbare Zeit teuer und knapp.

Finanzminister und FDP-Chef Christian Lindner, der vehement für den Einsatz von E-Fuels auch in Pkw gestritten hatte, zeigte sich zufrieden: Es gebe zwar keinen Zweifel daran, dass Elektromobilität in Deutschland attraktiv sein werde. “Auf der anderen Seite muss es aber Technologieoffenheit geben.” Deswegen sei es wichtig, dass Verbrenner auch nach 2035 noch zugelassen werden könnten. “Genau das ist jetzt umgesetzt.”

Der Automobilverband VDA sowie der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) werteten das Ergebnis anders: “Die Einigung im Rat lässt vieles im Unklaren und sieht immer noch ein faktisches Verbrenner-Verbot 2035 vor”, bemängelte VDA-Präsidentin Hildegard Müller. “Bei E-Fuels scheint es nur für eine Absichtserklärung gereicht zu haben, deren Umsetzung offen ist.” BDI-Präsident Siegfried Russwurm sprach von einem hochproblematischen Beschluss, der zwar scheinbar technologieoffen sei. Allerdings bedeute er de facto das Aus für den Verbrennungsmotor. “So funktioniert Technologieoffenheit nicht.”

Auch Umweltverbände zeigten sich aber nicht völlig zufrieden: Der WWF-Deutschland warf Deutschland eine Bremser-Rolle vor. Dies gelte etwa für die Debatte um den Verbrennungsmotor, zudem hätten die Rechte der Industrie zum CO2-Ausstoß deutlicher gekürzt werden müssen, sagte Klimaexpertin Viviane Raddatz. Die Geschäftsführerin des BUND, Antje von Brook, sagte: “Wenn aus unserer Sicht auch fünf Jahre zu spät, sind 100 Prozent emissionsfreie Pkw 2035 ein wichtiges Signal.” Man habe sich aber ein klareres Bekenntnis zum E-Auto gewünscht.

CO2-PREIS AUCH IN VERKEHR UND GEBÄUDEN

Nach den Beschlüssen der Minister soll parallel ein CO2-Preis auf Sprit, Heizöl oder Gas in Verkehr und Gebäuden im Rahmen eines Handels mit CO2-Rechten eingeführt werden. Diese Zertifikate werden demnach ab 2027 Zug um Zug eingeführt. Deutschland ist hier mit einem festen Aufschlag bereits seit 2021 vorangegangen. Ärmere Haushalte sollen im Gegenzug mit den Einnahmen aus dem Verkauf der Rechte unterstützt werden. Von 2027 bis 2032 wird so ein Klimasozialfonds in Höhe von 59 Milliarden Euro eingerichtet.

Die Industrie muss sich auf weitere Kürzungen bei der Zuteilung von Gratis-Emissionsrechten einstellen. Zum Schutz vor unfairem Wettbewerb aus Regionen mit laxeren Umweltstandards soll eine CO2-Grenzsteuer ab 2023 mit einer dreijährigen Übergangszeit auf den Weg gebracht werden. Diese ist allerdings umstritten und auch in der Bundesregierung unbeliebt. Kanzler Olaf Scholz will daher über die Kontinente hinweg einen sogenannten Klimaclub mit vergleichbaren Standards gründen, der die Steuer überflüssig machen könnte.

(Redigiert von Hans Busemann; Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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